AR-Reise in den menschlichen Körper
Virtual und Augmented Reality werden bereits in vielen medizinischen Bereichen eingesetzt. Allerdings geschieht dies meist zur Ausbildung von hoch qualifiziertem Fachpersonal. Aber warum sollte man die Technologie nicht auch direkt den Patient*innen zu Gute kommen lassen? Genau das haben wir getan, im Rahmen des branchenübergreifenden Verbundvorhabens MPM – Modelle für Personalisierte Medizin. In diesem Kontext arbeiteten wir am Teilvorhaben: AR-gestützte Assistenz für Patienteninformation und Aufklärung.
Entstanden ist eine IPad-Anwendung, welche die Aufklärungsgespräche im Vorfeld einer Operation bestens veranschaulicht und helfen kann, die Angst vor solch einem Eingriff zu nehmen.
Ein offenes Ohr für die Patient*innen
Ziel dieses Projektes ist es die Kommunikation zwischen dem medizinischen Personal und den Erkrankten im klassischen Aufklärungsgespräch zu verbessern. Hierfür möchten wir digitale Hilfsmittel in das Patient*innengespräch integrieren. Dies soll keinesfalls den persönlichen Dialog ersetzten, sondern wie es Augemented Reality schon im Namen trägt, die Realität durch zusätzlichen Medieneinsatz erweitern und so einen Mehrwert an Anschaulichkeit schaffen.
Insbesondere im Kontext komplexer Erkrankungen wie Krebs gewinnt die Aufklärung zunehmend an Bedeutung und kann die Motivation der Patient*innen bei der Therapieumsetzung steigern. Abgesehen davon ist allein aus rechtlichen Gründen eine umfassende Aufklärung nötig.
iPad statt Klemmbrett
Aktuell werden Aufklärungsgespräche meist mithilfe von ausgedruckten Abbildungen und händischen Zeichnungen durchgeführt. Wir ersetzten Klemmbrett und Stift durch zwei IPads und so gehts:
Das ärztliche Fachpersonal kann vorab eine auf die Patient*innen zugeschnittene “Tour” durch ein 3D-Modell des menschlichen Körpers anlegen. Hierbei können Faktoren wie Detailgrad, Perspektive oder gezeigte Organe in beliebiger Reihenfolge zusammengestellt werden. Außerdem können Markierungen und Notizen platziert werden. Für eine noch bessere Veranschaulichung lassen sich auch externe Medienquellen wie Videos und Sprachaufnahmen einbinden. So kann die behandelnde Person während des Anamnese-Gespräches durch eine gut strukturierte Präsentation führen. Aber auch die Möglichkeit live farbige Markierungen zu setzten und Freihandzeichnen zu ergänzen, ist vorhanden.
Im Gespräch erhalten die Patient*innen ein eigenes Tablet. Auf diesem können sie als Betrachter*in die “Tour” mitverfolgen. Dank des eigenen IPads besteht immer freie Sicht und man hat alles genau vor Augen. Zudem kann der Blickwinkel selbst bestimmt werden.
Ein Auge für HNO
Durch die enge Kooperation mit dem Leiter einer HNO-Station des Leipziger Uniklinikums, Dr. med. Matthäus Stöhr haben wir den Fokus auf Kopf, Schultern und Oberkörper gelegt, um so den HNO-Bereich detailgetreu darzustellen. Vor allem sollen OP-Möglichen rund um die Diagnose Kehlkopf-Krebs abgebildet werden. Diese sind recht komplex und somit ein idealer Use Case für unsere Anwendung.
Was wir sehen wollen und was nicht
Da es um Anschaulichkeit geht, steht klar das medizinisch korrekte Model im Fokus der Anwendung. Trotzdem gibt es beim Detailgrad viele Fallstricke zu beachten.
So haben wir beispielsweise bewusst darauf verzichtet, Animationen von operativen Eingriffen, verwendete Werkzeuge o.ä. abzubilden. Dementsprechend fließt hier auch kein virtuelles Blut! Wir wollen Informieren und Ängste abbauen – nicht das Gegenteil bewirken.
Klarer Fall von too much information. Aus diesem Grund haben wir in Absprache mit Fachärzt*innen ebenfalls darauf verzichtet, krankheitsbedingte Anomalien abzubilden.
Um den Betroffenen trotzdem einen guten Einblick in die Abläufe zu vermitteln, liefern wir eine digitale Version des Kugelschreibers, mit dem bisher skizzenhaft der Eingriff auf Papier umrissen wurde. Hierfür stellen wir mehrere Zeichenmöglichkeiten mit unterschiedlichen Farben zur Verfügung. Diese können vorab eingetragen oder live während des Gesprächs ergänzt werden.
Somit schaffen wir den Spagat zwischen einer besseren Vorstellung von einem bevorstehenden Eingriff, als das mit einer Abbildung auf Papier möglich ist. Andererseits schöpfen wir aber bewusst nicht das ganze Potenzial von virtuellen Experiences aus.
Über den Tellerrand
Was wir vor allem an Förderprojekten wie diesem schätzen, ist die Möglichkeit, mit Hochschulen und Unternehmen aus anderen Branchen gemeinsam an einem Projekt arbeiten zu können. In diesem Fall war es das Innovationszentrum für Computerassistierte Chirurgie (ICCAS) der Universität Leipzig als Ansprechpartner für alle medizinischen Themen und die Effigos AG, welche sich auf die Erstellung von 3D-Modellen für den Health-Care-Sektor spezialisiert hat.
Gefördert wurde das Projekt übrigens vom Bundesministerium für Bildung und Forschung und dem Zentrum für Innovationskompetenz- Verbundvorhaben im Zuge des MPM- Modelle für Personalisierte Medizin.
Digitale Krankenakte: So illustrieren wir das Patientengespräch